Am 30. August 2014 bin ich genau 36 Jahre und 8 Monate alt.
Kann ja mal passieren.
Aber letzte Woche Woche war ich in Berlin, meine Mama und meine Oma besuchen, weil meine Mama Geburtstag hatte.
Und während ich so im Auto saß, sprang einfach so dieser Gedanke in meinen Kopf. Wann war meine Mama eigentlich 36 Jahre und 8 Monate alt? Sie war es im April 1990.
Ich war zu diesem Zeitpunkt 12 Jahre und 4 Monate alt.
Nun müsst ihr dazu wissen, dass meine Mama und ich beide in der DDR geboren wurden, ich in "Berlin – Hauptstadt der DDR"
Bis zu meinem sechsten Lebensjahr habe ich in einer ofenbeheizten Altbauwohnung in der fünften Etage im Prenzlauer Berg, direkt am Friedrichshain, gewohnt. Ihr wisst schon, da wo jetzt die ganzen Schwaben wohnen und die Preise nach oben treiben.
Dafür habe ich eine Invasion der Südpfalz begonnen!
Anyway, im September 1984 sind wir dann nach Marzahn gezogen und haben bis weit über die Wende hinaus dort gewohnt.
Aber zurück zum April 1990. Man kann sich das als Nicht-Dabei-Gewesener wahrscheinlich nicht wirklich vorstellen, wie das damals gewesen ist.
Und auch als 12jähriger habe ich diese Erfahrung nur eingeschränkt mitgemacht. Schule konnte man im Jahr 1990 und auch noch eine Weile darüber hinaus im Prinzip vergessen. Wenn es nicht gerade um die “basics” ging (Deutsch, Mathe, Chemie, Bio) wussten viele Lehrer einfach nicht, was sie uns jetzt beibringen sollten und wie alles weitergehen würde und was aus dem Schulsystem wird.
Die DDR kannte ja faktisch nur die POS (Polytechnische Oberschule), die alle Klassen von 1 bis 10 unterrichtet und dann die EOS (Erweiterte Oberschule), welche zum Abitur und Studium führte.
Wie war das zu vereinbaren mit dem westdeutschen System und der Dreigliederung von Haupt- und Realschule und Gymnasium? War es (vor der Wiedervereinigung) sinnvoll, weiterhin ESP (Einführung in die sozialistische Produktion) zu unterrichten?
Meine Mama war arbeitslos gweorden, weil ihr Beruf in den blühenden Landschaften nicht mehr gebraucht wurde. Meine Oma und Opa wurden in Rente geschickt.
Ja, das waren definitv einschneidende Jahre. Meine Mama hat zum Glück eine Umschulung gemacht, bei der hinten auch was “bei rumkam” und die nicht nur dazu da war, sie für ein paar Jahre aus der Arbeitslosenstatistik verschwinden zu lassen.
Aber ich kenne auch Besipiele von Eltern ehemaliger Schulkameraden, die seit 1990 nie wieder eine dauerhafte Arbeit gefunden haben. Dass denen im Rückblick die DDR tatsächlich wie das Arbeiter- und Bauernparadies vorkommt kann ich ihnen nur schwerlich verdenken, auch wenn es vielleicht wirklich ein gefärbter Blick in die Vergangenheit ist.
Außerdem gibt es einen Beweis, dass damals wirklich einiges besser war: Ende der 80er kamen auf dem ZDF noch US-Serien zur Vorabendzeit.
Bewesistück A)
Und wenn ich an diese Monate damals zurückdenke und auch von der heutigen Perspektive drauf gucke, überlege ich doch manchmal, ob es auch anders gegangen wäre.
Versteht mich nicht falsch, ich bin definitiv kein Verlierer der Wende. Ich hab etwas studiert, was mich interessiert und was mich finanziell versorgt. Mein Leben ist OK so wie es ist.
Aber ich stelle mir trotzdem manchmal die Frage, ob es für die Bewohner der ehemaligen DDR besser gewesen wäre, wenn man die Wiedervereinigung nicht so komplett überstürzt vorangetrieben hätte, sondern sorgsamer vorgegangen wäre.
Dann hätte die Treuhand Gesellschft vielleicht nicht alle "maroden" Betriebe nicht von heute auf gestern für’n Appel und’n Ei an den erstbesten Käufer verscheuert und die ostdeutsche Industrie über Nacht de facto komplett platt gemacht.
Vielleicht wäre auch eine legitimie Lösung gewesen, die Zweistaatlichkeit einfach beizubehalten und in der DDR trotzdem ein legitimes demokratisches System zu installieren. Österreich ist schließlich auch deutschsprachig und trotzdem nicht Teil der Bundesrepublik und die kommen gut damit zurecht.
Jetzt wäre diese DDR 2.0 dann wahrscheinlich trotzdem in der EU und im Schengenraum – oder auch nicht, wenn die Bürger es lieber gesehen hätten, sich nicht wieder einem Staatenbund anzuschließen, der doch immer nur das beste für uns will, wie zum Beispiel regulierte Staubsaugerwattzahlen.
Ich weiß, ich weiß. Hät’ der Hund nich geschissen, hät’ er’n Hasen gekriecht.
Aber vielleicht wären den "Wessis" acht weitere Jahre Kohl erspart geblieben.
Merkel wär dann jetzt wahrscheinlich aber Staatsratsvorsitzende.
Oder sie hätte ‘nen Nobelpreis in Physik.