Was spricht eigentlich gegen Synchro?

Dieser Beitrag ist als Antwort auf dieses Posting im Spiegel Online Forum entstanden. Das Original befindet sich hier und hier.

Ich hab ja nichts gegen Synchros, aber nicht, wenn sie die Serie kaputt machen.

Ich hab Friends zum Beispiel nie geguckt, weil ich den Ross immer absolut unsympathisch fand, bis ich dann mal seine Orginalstimme gehört habe. Daraufhin hab ich die ganze Serie (10 Staffeln) in 14 Tagen geguckt.

Bei The Big Bang Theory fehlt dem deutschen Sprecher von Sheldon diese überhebliche Arroganz in der Stimme, die so viel von dem Charakter ausmacht.

Der Hauptdarsteller von Burn Notice hat eine sehr charismatische Stimme, insbesondere, wenn er seine Off-Texte erzählt. Der deutsche Sprecher leiert nur müde seinen Text runter.

Außerdem hört man der deutschen Tonspur immer an, dass sie geräuschlos aufgenommen wurde. Im Original geht auch schon mal ein Wort verschütt, weil es aus Eimern gießt oder weil rundherum gerade die Welt explodiert. Dann ist das halt so. Aber im Deutschen ist jedes Wort so klar und deutlich, als ob der Sprecher jederzeit bei mir im Wohnzimmer vor mir stünde.

Während der letzte Punkt vielleicht wirklich nur mit viel Geld zu beheben ist, um die Geräuschkulisse wieder einzuweben, so sollten sich doch Sprecher finden lassen, die den Charakter der Originalstimme wenigstens annähernd wiedergeben können. Manchmal scheint der Stimmauswahlprozess eher so zu laufen: “Ey, das ist ein Geek/Nerd, lass uns das mit dem Holzhammer deutlich machen, in dem wir ihm die quäkigste Steve-Urquel-Stimme geben, die wir finden können” (Beweis A: Moss aus The IT Crowd).

Wie ja jeder weiß™, sind die Amis ja alle ahnungslose und gottesfürchtige Hinterwäldler, während wir die aufgeklärten, modernen Europäer sind. Dennoch schaffen es diese Menschen dort, eine Serie zu gucken, in der die meisten Menschen Sprache A (z.B. Englisch) sprechen, aber zwei Menschen durch New York stolpern, die nur Sprache B (z.B. japanisch) sprechen. Und wenn diese beiden (nennen wir sie Hiro und Ando) eben japanisch sprechen, dann werden sie untertitelt – und das funktioniert auch. Und was ist hier? Da sprechen alle Menschen plötzlich A (z.B. deutsch) und Hiro und Ando sprechen gebrochen A und trotzdem versteht sie niemand – versteht das jemand? Was wäre so schlimm daran gewesen, Hiro und Ando auch in der Synchro japanisch sprechen zu lassen?

Bedauerlicherweise geht ein weiterer Aspekt in der Synchro verloren: Akzente und Dialekte. Michael Westen aus Burn Notice und Nathan Ford aus Leverage benutzen permanent verschiedene englische Akzente und Dialekte (z.B. aus Texas, Irland) um sich als jemand auszugeben, der sie nicht sind. Anna Paquin wird als Sookie Stackhouse in True Blood mit ihrem Louisiana-Englisch vielleicht nicht jeden Einheimischen von dort überzeugen, aber für mich klingt es ziemlich überzeugend. Mir vorzustellen, sie spräche jetzt hochdeutsch (oder Gott bewahre! bayrisch), würde für mich den Flair der Serie kaputt machen.

Und so habe ich trotz meiner Abiturenglischgrundkursnote 4 und einem nicht viel besseren Durchschnitt während der Englischsemester an der FH trotzdem vor 9 Jahren angefangen, Filme und Serien im Original* anzugucken. Zur Not mit Untertiteln. Letztere sieht man später fast gar nicht mehr, nimmt sie aber trotzdem wahr und erfasst ihren Inhalt. Wobei ich sie auf Englisch fast gar nicht mehr brauche (eigentlich nur noch bei so Dialekt-Krachern wie True Blood oder Snatch).

*Und wenn ich Original sage, dann meine ich das auch so. Ich habe auch Nikita auf französisch geguckt und Die Sieben Samurai, Yojimbo und Das Mädchen, das durch die Zeit sprang auf japanisch und das obowhl ich weder frz. noch jap. spreche. Und nein, dass soll kein Elitengehabe sein, ich finde den Klang von fremden Sprachen einfach schön, eben, weil sie sich auch so dramatisch unterscheiden.

Und dann gibt es da noch den Aspekt des mutwilligen Herumdokterns (oder Zensierens?) am Filminhalt, weil einem nicht gefällt, was man hört. Das fängt bei so banalen Dingen an, wie aus dem deutschen Dieb Hans Gruber in Stirb Langsam den amerikanischen Dieb Jack Gruber zu machen und hört auf, wenn der ganze Film komplett sinnverdreht wird, ich sage nur Starship Troopers.

Und um noch mal auf die anderen Länder zurückzukommen: Ja, wenn es um Synchro geht dann würde ich auch behaupten, dass Deutschland führend ist. Und auch ja, dass in den Niederlanden und in Skandinavien nicht synchronisiert wird, liegt daran, dass deren Markt viel zu klein ist. Aber als ich letztes Jahr in Holland im Urlaub war und mal durchs Fernsehprogramm gezappt habe, hatte ich nicht das Gefühl, dass denen was entgeht, nur weil sie keine holländische Synchro haben – im Gegenteil. Und hier will ja sicherlich keiner ernsthaft behaupten, dass die Niederländer im Schnitt klüger oder dümmer als die Deutschen sind. Wenn die also seit Anbeginn der Zeit OmU gucken können, dann könnten wir das auch.

Und der für mich allergrößte Vorteil von nicht-mehr-auf-Synchro-angewiesen-sein ist: Für mich steht die Welt als DVD-Markt zur Verfügung. Geldmäßig kaufe ich doppelt so viele Serien in den USA und UK als in Deutschland. Quantitativ ist es allerdings noch mehr, einfach weil die Serien dort wesentlich preiswerter zu haben sind. Wo ich hier 29,99€ für eine Halbstaffel bezahlen soll, bekomme ich in UK die ganze Staffel für 20£.

Update 11.11.2009: Spiegel Online vertritt eine ähnliche Meinung: Film-Untertitel helfen beim Sprachenlernen

1 Reply to “Was spricht eigentlich gegen Synchro?”

  1. Ich kann dem voll zustimmen. Bei Heroes konnte auch ich nur den Kopf schütteln. Schlimm fand ich auch die Synchronstimme für Joy aus “My name is Earl”, das ansonsten recht gut synchronisiert ist. Vor allem hätten wir so einige weibliche Komedians, die diesen prolligen Slang fantastisch hätten umsetzen können.

    Man sollte aber auch erwähnen, dass es auch anders geht. House verliert durch die sehr stimmige Synchro meiner Meinung nach fast überhaupt nicht an Charme. Und die deutschen Stimmen von Patric Stewart (Captain Picard) oder Tom Hanks sind so gut, dass mich die Originale schon fast enttäuschen.

    Ein Punkt liegt mir noch am Herzen: Wir (die wir synchronisierte Filme anschauen) urteilen über schauspielerische Leistungen und schauen uns die Oskargewinner noch mal im Kino an. Dabei hängt die Schauspielerische Qualität nur zum kleineren Teil and der Mimik und Gestik, das meiste wird über die Sprache getragen. Wenn also der oder die “so gut gespielt hat”, dann lag das sehr oft nur an der guten Leistung des Synchronsprechers.

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