Gute Serien und deutsches TV – Ein Widerspruch in sich?

Werden gute Serien jemals wieder eine vernünftige Chance auf dem deutschen TV-Markt haben?

Um es gleich einzuschränken: Wenn ich von guten Serien rede, meine ich amerikanische und/oder britische Serien. Das liegt daran, dass ich Serien aus anderen Ländern schlicht nicht kenne und nicht, dass diese Länder keine guten Serien machen würden. Außer Deutschland, es gibt keine guten Serien aus Deutschland. Punkt.

Bei den Serien, die aus den USA und dem Königreich kommen, muss man in zwei Kategorien unterscheiden: Procedurals und Serials.

Procedurals sind Serien, deren Folgen einem relativ gleichmäßigen Schema folgen und die man in einer fast losen Reihenfolge gucken kann und bei denen es auch nichts ausmacht, wenn man mal eine oder mehrere Folgen verpasst. Während meiner TV-Kindheit waren das Serien wie Knight Rider, Airwolf, Das A-Team und MacGyver. Heutzutage sind es CSI und seine Klone, Law & Order und Doctor Who.

Serials hingegen sind Serien, die eine fortlaufende Geschichte erzählen, wo es relevant ist, jede Folge (mehr als einmal) zu sehen, um die großen Zusammenhänge zu verstehen und den Überblick zu behalten. Zu diesen Serien gehören (natürlich) LOST, Battlestar Galactica, Heroes, True Blood und natürlich 24.

Und dann gibt es natürlich noch die Mischformen, in denen mal die eine, mal die andere Komponente überwiegt. Hierzu gehören unter anderem Dr. House, Supernatural und Veronica Mars.

Am einfachsten auf dem deutschen Markt scheinen es Procedurals zu haben, dann kommen die Mischformen und die Serials gehen meistens gnadenlos unter. Doch warum ist das so? Wenn ihr mich fragt, dann würde ich das polemisch so ausdrücken: Die Deutschen sind zu faul, die Sender und das Internet sind schuld.


Einer Procedural-Serie zu folgen ist nicht wirklich anstrengend. Man guckt eine oder zwei Folgen, hat das Grundprinzip verstanden und wenn man in zwei Monaten wieder einschaltet, ist immer noch alles beim alten und man kann problemlos wieder einsteigen. Man braucht auch nicht großartig drüber nachdenken. Alles was relevant für die Folge ist, wird in dieser Folge aufgegriffen, erklärt und aufgelöst. Wie ein Spielfilm, nur eben eingedampft. Man schaltet ein, lässt sich 42 Minuten unterhalten und schaltet wieder aus. Die Serie stellt keine Anforderungen an den Zuschauer und dieser nicht an sich.

Bei den Mischformen wird es da schon schwieriger. Hier wird nicht nur der Fall der Woche (Dr. House) oder der Dämon der Woche (Supernatural) behandelt, sondern die Charaktere entwickeln sic auch von Folge zu Folge weiter und es gibt übergreifende Geschichten (Arcs), die nur zu verstehen sind, wenn man die zurückliegenden Folgen (in variierender Quantität) ebenfalls gesehen hat. Man muss also schon mal jede Woche einschalten und man muss sich auch noch daran erinnern, was so ungefähr passiert ist.

Bei den Serials wird es dann ganz haarig. Zwar bieten die meisten ein “Was bisher geschah” an, jedoch kann dies nur als Erinnerungsauffrischung funktionieren, nie jedoch als “Wenn du die Folge verpasst hast, hier eine erklärende Zusammenfassung.”. Und somit erfordern diese Serien die meiste Bereitschaft des Zuschauers, sich wirklich auf die Handlung einzulassen, sich ggf. zu erinnern, was vor zwei Monaten geschehen ist. Man kann sich nicht mehr einfach nur berieseln lassen, man muss die Serie aktiv verfolgen und darüber nachdenken.

Ironischerweise klappt das bei Seifenopern wie GZSZ oder Marienhof problemlos, da können einem manche Fans problemlos die Beziehungen und Liebesdreiecke aller Hauptcharaktere der letzten 5 Jahre aufzählen. Nicht jedoch bei Serials. Serials gehen in der deutschen Quotenmessung fast immer und fast ausnahmslos baden.

Serials spielen mit der Neugier des Zuschauers: Was passiert als nächstes? Fast jedes Folgenende ist ein Cliffhanger, etwas was Procedurals höchstens mal am Staffelende machen. Der Zuschauer will wissen, was mit seinen Helden als nächstes passiert. Und genau da läuft sein Wissensdurst der Sendepolitik der deutschen TV-Sender zuwider. Zuerst fangen die meisten Serien erst zwei Jahre an, nachdem sie in den USA angelaufen sind. Das heißt, das Netz quillt über mit Spoilern, was in den nächsten Jahren geschehen wird. Und dann erfüllen sich die Quoten-Erwartungen der Sender nicht so und die Serie landet auf einem anderen (mitternächtlichen) Sendeplatz, geht in die Zwangspause für ein paar Wochen oder wird gar ganz abgesetzt.

Wenn der Zuschauer schon so viel “Arbeit” in seine Serie stecken muss, um am Ball zu bleiben, dann ist es nur noch ein sehr kleiner Schritt, sich die Folge direkt nach US-Ausstrahlung aus dem Netz zu holen. Zwei Stunden nach Ausstrahlung ist der Torrent verfügbar, wenig später kommen die von anderen Benutzern hergestellten englischen Untertitel und nach einer Woche gibt’s es dann meistens sogar deutsche Untertitel. Auf einer 16.000er DSL-Leitung dauert es inzwischen nicht mal mehr 20 Minuten, um eine 350 Megabyte-Serienfolge herunterzuladen, nachdem sie bereits 24h online ist. Man kann ganze Serienstaffeln problemlos in 3 Tagen saugen, auch wenn die bereits einige Jahre alt ist und nur noch wenige Seeder die Dateien anbieten. Wenn aber die Zuschauer ins Internet abwandern, brechen die Quoten bei den TV-Sendern ein, was sie veranlasst, die Serials abzusetzen oder zu verlagern, was wiederum die Zuschauer dazu bringt, … “Ein Teufelskreis” wie T.V. Kaiser sagen würde.

Was dann bleibt, sind die immer gleichen Procedurals, wo man alle kennt, wenn man eine kennt und dann noch der Bodensatz der TV-“Unterhaltung”: Kochshows, Heimwerker-Shows, Kindererziehungs-Shows, Dschungel-Shows und  Superstar-Shows, also alles Sachen, bei denen man nun gar nicht mehr nachdenken muss, sondern eher noch Gehirnzellen verliert, wenn man sie sich anschaut.

Den Teufelskreis können die TV-Sender also nur unterbrechen, wenn sie die Zuschauer zurückholen, die sie ans Internet verloren haben. Wie? Ausstrahlung zeitnah (heißt Tage oder Wochen, nicht Jahre nach der US-Ausstrahlung), und dann am Besten noch im O-Ton mit Untertiteln. Sonst wird in nicht allzu ferner Zukunft der Tag kommen, wo man US-Serien im Web ganz legal gucken kann – ohne Torrent, VPN-Tunnel oder US-Webproxies. Und dann werden die deutschen Sender ihr engagiertes (und in der Regel auch besserverdienendes) Publikum endgültig verloren haben.

2 Replies to “Gute Serien und deutsches TV – Ein Widerspruch in sich?”

  1. Gute deutsche Serien: Türkisch für Anfänger, Ein Herz und eine Seele, die Sönke Wortmann-Fußballserie, für eine Kinderserie (auch wenn die Bildqualität beschissen ist) Spuk von draußen.

  2. Hi, ich hab Deinen Blog heute das erste Mal besucht (Du hast Links auf SPON gepostet). Super interessant und ich werde mal Deine Tweeds verfolgen. Eine tolle Serie ist übrigens die HBO Serie Big Love!

Comments are closed.